Kinderlachen, Gekreische aus Richtung der großen Fahrgeschäfte, in der Luft der Duft von gebrannten Mandeln. In dieser Kulisse fühlt sich Simon Traub sichtlich wohl. "Es ist wie eine Sucht", sagt der 52-Jährige und lacht, als er über die Maidult spaziert. "Ein bisschen wie nach Hause kommen", fügt er hinzu. Seinen Bekannten im Han-Zelt hat Traub bereits Hallo gesagt. Weiter geht es in Richtung Glöckl-Zelt. Auch hier gibt er den Kellnern die Hand, es folgt eine Runde Smalltalk. Vom Lichttechniker wird er freudig begrüßt. "Man kennt sich", sagt Traub mit ein wenig Stolz in der Stimme. Tatsächlich ist er schon weit herumgekommen. Das Bierzelt ist sein Arbeitsplatz, die Bedienungen seine Kollegen. In der Oberpfalz, in Bayern und ganz Süddeutschland arbeitet er seit vielen Jahren als Kellner. Ein Profil im Volksfest-Business, könnte man sagen. Darüber, was er in mehr als zwanzig Jahren erlebt hat, hat Traub ein Buch geschrieben. Sein Werk "Die Krüge hoch – Hinter den Kulissen der Bierzeltkultur" ist gerade in einer Neuauflage erschienen, versehen mit einem Sonderteil zu seinen Erfahrungen während der Corona-Zeit.
Ratgeber für Bedienungen
Das Sachbuch gibt nicht nur Einblick in die Welt der reisenden Bierzelt-Gastronomie, sondern liefert vor allem Tipps für Kellner, die sich in dieser besonderen Welt zurechtfinden wollen. "Es ist ein Ratgeber, wie man es richtig macht", sagt er, "auch, wenn man noch über die Feste viel mehr schreiben könnte." Neben Wiesn und Gäubodenfesten findet auch die Regensburger Dult Erwähnung. "Der reisende Kellner hat wenig Zeit, sich die Stadt anzuschauen, in der er gerade arbeitet. In erster Linie muss er wissen, wie er gutes Geld verdienen kann, wie trinkgeldfreudig die Leute sind und wie es in diesem Bierzelt läuft", erklärt er. Die Regensburger Dult kommt bei Traub aus mehreren Gründen gut weg. "Die Gelassenheit der Menschen hier hat mir immer gefallen", sagt er. Auch mit Trinkgeld würden die Regensburger nicht geizen. Dass die Besucher so entspannt seien, habe für ihn auch viel mit der schönen Lage des Volksfestes an der Donau zu tun. "Die Atmosphäre ist einfach toll."
Als Traub an diesem Dult-Tag nicht als Bedienung, sondern als Gast im Festzelt bewegt, füllen sich die umliegenden Tische langsam. Wieder haben zwei Kellner – "Schorsch" und "Josef", steht auf ihren Namensschildern – ihren Kollegen erkannt. In ihren Gesprächen geht es ums Frühlingsfest in München, die verbrachte Winterpause in Kolumbien und um den Ausbruch des Norovirus auf der Cannstatter Wasen in Stuttgart, ein Ereignis, das ihrer Meinung nach aufgebauscht worden sei. "Ich kenne vor allem die älteren Bedienungen", sagt Traub, als seine Kollegen wieder den anderen Gästen zuwenden, "die Urgesteine, sozusagen."
Dass die Arbeit als Profil-Kellner körperlich sehr anstrengend sei, weiß er aus eigener Erfahrung. "Die Wenigsten werden im Bierzelt alt", gibt er zu bedenken. Auch Traub selbst fährt mittlerweile zweigleisig. Nicht nur, dass er neben seiner Tätigkeit als Kellner ein Buch geschrieben hat, für das Sponsoren, wie Brauereien, eine Security-Firma und eine Blaskapelle gewinnen konnte. Die Corona-Pandemie brachte ihn auch dazu, völlig neue Wege zu gehen. "Als Solo-Selbstständiger war es wirklich hart", sagt er, "man ist durch jedes Raster gefallen und hatte keine Wahl, als sich noch etwas anderes zu suchen." Für Traub, der in Berg bei Neumarkt lebt, tat sich zu dieser Zeit ein Job in der Medizintechnik auf.
Entertainer und Seelsorger
"Vielleicht ist es auch gut, damit den Absprung geschafft zu haben. Sonst wäre ich diesen Schritt wahrscheinlich nie gegangen", sagt er. Das Bedienen im Bierzelt ganz sein zu lassen, kann er sich trotzdem nicht vorstellen. "Wenn du's mal drin hast, ist es schwierig mit dem Aufhören."
Zu seinem Buch hat er von den Kollegen jedenfalls viel Zuspruch bekommen. "Die waren sehr neugierig. Viele haben es gelesen – und Kritik kam fast keine zurück", sagt er. Traub ist sicher. Über seine Erlebnisse könnte fast jeder reisende Kellner ein Buch schreiben. Schließlich sei man als Bedienung im Zelt nicht nur zuständig für die Bestellungen, sondern auch Entertainer, manchmal sogar Seelsorger für die Gäste.
"Im Bierzelt sind die Menschen so, wie sie wirklich sind" – dieses Zitat steht ganz vorne in Traubs Buch geschrieben, und daran glaubt der Profi-Kellner fest. "Das ist das Schöne", sagt er, "wenn die Musik spielt, machen alle Späße, niemand ist überheblich."
Von Marion Neumann
Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen
Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.