"Bierkrüge gegen Buch getauscht: Ausnahmsweise heute mal nicht als Bedienung auf dem Regensburger Dult.
 

Der "Wadl-Symen" bringt die Krüge

Kellner Simon Traub (52) lebte jahrelang von der Eventgastronomie und war als Bedienung bei vielen großen Festzelten engagiert. In seinem Buch schreibt er auch über das Fränkische Volksfest.

Sie sind Vagabunden, Seelsorger und Entertainer in einer Person und überall zu Hause - Festzeltkellner und -kellnerinnen. Das sagt Simon Traub, der viele Jahre hauptberuflich in diesem Metier durch Deutschlands Volksfestlandschaft tingelte. Seine eindrucksvollen Wadl haben dem Neumarkter den Spitznamen "Wadl Symen" eingebracht. Und nicht selten wird er gefragt, ob die Prachtwadl "aufgespritzt" sind. Geht ja heutzutage alles. Gleich vorweg: Die Wadl sind pure Natur und beim Kellnern hart erarbeitet oder vielmehr erlaufen. Freimütig Einblick in den Alltag eines Festzeltkellners vermittelt Wadl Symen Volksfest-Greenhorns ebenso wie Frauen und Männern, die mit dem Gedanken spielen, auch Vagabund, Seelsorger und Entertainer in einer Person zu werden. Und er lüftet auch einige Geheimnisse, um die sich viele Klischees ranken, zum Beispiel das zu erzielende Salär. Bereits 2016 hat er ein Buch herausgebracht, damals im Eigenverlag. Jetzt liegt eine aktualisierte, erweiterte und optisch aufgebrezelte Neuauflage von "Die Krüge hoch! Hinter den Kulissen der Bierzeltkultur" vor. Es war Traub ein Herzensanliegen, nicht nur Schönwetter-Geschichten zu erzählen, sondern auch die gerade in der Gastronomie demoralisierende Corona-Pandemie nicht auszuklammern. Er hinterfragt, ruft in Erinnerung und widmet dem Thema immerhin 65 von 238 Seiten. Traub hat für die Neuauflage einen Verlag gefunden, unter anderem die hiesige Acro Brauerei als Sponsor und den renommierten Regensburger Professor für Bairische Dialektologie, Ludwig Zehetner, als Vorwortschreiber. Zehetner nennt das Buch "erfrischend, erheiternd, ermutigend, eine amüsante Pflichtlektüre für alle Volksfestfreunde" und würdigt die Einblicke "in die Welt derer, die Massen in Massen unter die Leute bringen".

Wie man in den Kellner-Olymp kommt

Wadl Symen will sein Buch als "Ratgeber" verstanden wissen. Und eine Lanze brechen für den Beruf des Festzeltkellners und der Festzeltkellnerin, "denn die meisten meiner Kollegen machen diesen Job aufrichtig und mit sehr hohem Engagement". Wer als Festzeltgast sein Buch liest, erfährt einiges aus der Perspektive derjenigen, die dort arbeiten. Und wer mit dem Gedanken spielt, sich auch mal als Bedienung oder Kellner zu versuchen, erhält Basis-Rüstzeug in Bierzelt-Diplomatie ("Denken Sie sich den Weg durch die Gänge frei. Die Macht der Gedanken bestärkt Sie."), Hausmittel gegen Blasen an den Füßen, eine Gebrauchsanweisung, wie man zwölf Krüge schleppt, die häufigsten Fragen, für die man gewappnet sein sollte, Einblicke ins Lohn- und Vergütungssystem sowie Tipps, wie man es in den Kellner-Olymp, das Oktoberfest, schafft. Er verfügt über jahrzehntelange Erfahrung in diesem Metier. Ursprünglich hat er Elektriker gelernt und nur nebenbei gekellnert zur Aufbesserung der Urlaubskasse. Und weil er gerne mit Menschen zu tun hat. Und "im Bierzelt sind die Menschen so, wie sie sind", so einer seiner Grundsätze. In einem Gasthaus hat er - damals noch ohne gastronomische Erfahrung - nach Feierabend angefangen. Fast 30 Jahre ist das her. Geholfen hat ihm die damalige Einberufung zur Bundeswehr. Nach der Grundausbildung wurde er - "das Beste, was mir passieren konnte" - im Offizierskasino als Ordonnanz, sprich Kellner, eingesetzt. Neun Jahre hat er da gearbeitet, davon sieben Jahre als Geschäftsführer. Kollegen haben ihm das Kellnern schmackhaft gemacht. Es wurde sogar Hauptberuf und Traub sattelte die Ausbildung zum Hotel- und Restaurantfachmann darauf. Inzwischen hat er (52) - insbesondere nach der bitteren Erfahrung der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Existenzkrise - in einer anderen Branche Fuß gefasst, bezeichnenderweise in einem Unternehmen, das Medizintechnik verkauft.

Der Kopf ist fit, die Erfahrung ist da

Das Kellnern betreibt er wie in seinen Anfängen nur noch nebenbei, um Urlaub und auf weniger Feste konzentriert. "Der Kopf ist fit, die Erfahrung ist da", sagt er, aber mit der Kraft müsse man haushalten. Über 50 regeneriere man einfach nicht mehr über Nacht wie früher, sagt er ganz offen und warnt Berufskollegen und solche, die mit dieser Arbeit liebäugeln, die Finger vom Alkohol zu lassen, tagsüber sowieso und auch nach Feierabend, vor allem von Wein. Ein Bier am Schluss des Tages stecke man weg, Wein müsse man konditionell büßen. An einem Volksfesttag wie etwa in Straubing, Regensburg, Erlangen, Nürnberg oder Stuttgart legt einer wie Wadl Symen zwischen fünf und 20 Kilometer zurück pro Tag. Wenn er auf einer Terrasse oder Galerie bedient, kommt noch das Treppensteigen dazu. Und die Last, die er dabei schleppt, hat es auch in sich. Zehn gefüllte Maßkrüge entsprächen etwa 22 bis 23 Kilo. Er selber trägt nur selten 16 Maßkrüge, denn die Gefahr, dass ein Krug zu Bruch geht, sei einfach zu hoch. "Manchmal, der Show halber", gibt er augenzwinkernd zu. Ein mit Hendl beladener Schlitten, so heißt das große Tablett, bringe es schon mal auf 25 bis 30 Kilogramm. Schon ist Traub mitten im schönsten Kellner-Jargon. Unterwegs mit dem Schlitten im Schiff? Was dahinter verborgen ist, lüftet er im Kapitel "ABC der Bierzeltsprache". Er erklärt auch, dass Knödel auf Englisch "dumpling" heißt und englischsprachige Gäste beim Trinkgeld am spendabelsten sind. Auf Lager hat er auch die häufigsten und skurrilsten Bierzeltsprüche.

Kellnern - eine Schule fürs Leben

Das Festzeltkellnern nennt Traub eine Schule fürs Leben. Man bekommt vor allem eines - Menschenkenntnis. Warum tut man sich die Schufterei an? "Das Geld, ganz klar.", sagt er und schickt hinterher: "Das Geld ist schnell verdient, aber hart erarbeitet." Macht man das im Hauptjob, muss das im Sommer erarbeitete Geld über den Winter reichen, es sei denn, man arbeitet dann auf Messen und Weihnachtsmärkten oder in Ski-Orten. Dazu komme aber noch ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Argument, dass man in schöner Umgebung, unter Menschen in Feierlaune arbeite und Gäste glücklich machen könne. Fazit: Wadl Symen vermittelt Begeisterung für einen stressigen, aber äußerst kommunikativen Beruf.

 

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